Wörwag: Der Nachwuchs versteht sich auch im Dunkeln blendend. Lichtgestalten

Lichtgestalten

Wenn die Lehrlinge bei Wörwag Schwarz sehen, kann es sich nur um ein besonderes Teamevent der Ausbildungsabteilung handeln. Beim Blacklight-Minigolf zeigt sich: Der Nachwuchs versteht sich auch im Dunkeln blendend.

Auf Bahn 7 nimmt Kathrin Wickardt Maß. Sie fixiert den grün leuchtenden Ball, holt aus, schlägt mit etwas zu viel Schwung, der Ball fliegt über das Ziel hinaus. Zweiter Versuch, diesmal etwas sanfter. Die Kugel rollt über zwei Hügel, kurz vor dem Loch bleibt sie liegen. Noch mal angetippt – versenkt. „Drei!“, ruft die angehende Lacklaborantin in die Runde und notiert die Zahl auf ihrem Ergebnisbogen.

Auf dem schwarzen T-Shirt der 29-Jährigen leuchtet ein großes, rotes T. Sie steht kurz vor der Abschlussprüfung. Die Wörwag-Azubis spielen heute zusammen Minigolf. Blacklight-Minigolf, um genau zu sein.

Wer die Golfhalle in Laufweite vom Stammwerk betritt, tappt zunächst buchstäblich im Dunkeln. Daraus stechen die 18 Bahnen wie leuchtende Inseln hervor. Sie sind mit fluoreszierenden Farben lackiert. Fische, Krebse und allerhand submarine Pflanzen verwandeln die Wände in eine schimmernde Unterwasserwelt. Bunte Brillen, die es an der Anmeldung gibt, verleihen ihr einen 3D-Effekt.

Seit rund einem Jahr rollen und fliegen hier auf gut 600 Quadratmetern die Bälle. Im Nebenraum kann man Schwarzlicht-Pitpat spielen, die Billardvariante des Minigolfs. Nicht nur das Ambiente, auch die basslastige Musik aus den Deckenlautsprechern macht die Halle zur Partyzone. Dem Firmennachwuchs gefällt es.

Die Wörwag-Azubis setzen ihr Motto farbenfroh in Szene.

Von insgesamt 26 Auszubildenden nehmen heute 15 teil. Es war schwierig, einen Termin für alle zu finden. Das erste Lehrjahr sitzt gerade in der Berufsschule.

Beim nächsten Teamevent will auch der jüngste Jahrgang wieder dabei sein. Wörwag legt Wert auf solche Veranstaltungen. Sie machen Spaß und fördern den Gemeinschaftssinn. Teamwork ist keine Floskel, sondern wird gelebt. Der Blick in die Minigolfhalle zeigt: Angehende Lacklaboranten tun sich mit Chemikanten und Produktionsfachkräften zusammen. Man bleibt eben nicht unter sich.

Neben der fachlichen Qualifikation kommt es Ausbildungsleiterin Tanja Nebroj bei den Lehrlingen auf Tugenden wie Verantwortungsbewusstsein, Selbständigkeit, Interesse und Begeisterung an. „Und sie müssen auf jeden Fall gut miteinander können“, betont die 47-Jährige. Sie hat selbst Chemielaborantin gelernt, arbeitet mittlerweile seit 16 Jahren bei Wörwag. Das Miteinander wird von Anfang an geübt

So beginnt die Ausbildung mit der sogenannten Kennenlernwoche. „An diesen fünf Tagen tasten sich die Neuzugänge an das Unternehmen und ihren jeweiligen Arbeitsplatz heran.

Einen Tag lang gehen wir im Hochseilgarten klettern – das schweißt zusammen.“ Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigen gemeinsame Unternehmungen in der Freizeit. Unter anderem treffen sich die Azubis regelmäßig zum Stammtisch. Im Betrieb ist Nebroj Ansprechpartnerin Nummer eins, wenn es um die Ausbildung geht oder sonst wo der Schuh drückt. Sie begegnet den jungen Menschen auf Augenhöhe. Die danken es ihr mit einer großen Portion Vertrauen.

„Wir unternehmen auch in der Freizeit etwas zusammen.“

Cedric Steffan, Chemikant

Wörwag Azubi 2

„Es ist toll, was wir in der Ausbildung alles geboten bekommen!“

Kathrin Wickardt

Wörwag Azubi 3

„Die gute Betreuung hat für mich den Ausschlag gegeben.“

Arefe Kibaroglu, Lacklaborantin

Heute möchten sie eine Botschaft loswerden: „Als klar war, dass wir Schwarzlicht-Minigolf spielen, haben wir uns grünes, gelbes, rotes und oranges Neontape besorgt und damit Buchstaben auf unsere schwarzen T-Shirts geklebt“, erklärt Wickardt.

Sie deutet auf das T auf ihrem Hemd. Auf einen Wink stellen sich die Azubis in einer Reihe auf. Die leuchtenden Buchstaben ordnen sich zum Wort TEAMPLAYER. Das Motto sowohl des heutigen Tags wie der Ausbildung insgesamt.

Wieder im Spiel beratschlagen Marco Sonder und Lukas Mischkulnik auf Bahn 16, wie diese wohl mit einem Schlag zu meistern sei.

Die beiden Lacklaboranten in spe inspizieren den Weg, den der Ball nehmen muss: Über eine steile Rampe geht es im Zickzack wie auf einer Murmelbahn hinab, dann geradeaus bis zum Loch. „Du musst mit Gefühl genau in die Mitte spielen“, rät Sonder. Mischkulnik beherzigt es und trifft im ersten Versuch. „Cooler Schlag“, ertönt es von der Nachbarbahn.

Denis Huduti ist beeindruckt. Mit der rechten Hand schiebt er sich die orange 3D-Brille ins Haar. Er lernt Produktionsfachkraft Chemie im zweiten Jahr. Chemie hat Huduti schon immer interessiert. Später möchte der 22-Jährige den Chemietechniker draufsatteln. Seine Chancen stehen gut.

Damit ist das Lernen aber keineswegs abgeschlossen. Das Unternehmen motiviert seine Angestellten zur Weiterbildung. Wer zum Beispiel berufsbegleitend seinen Meister machen möchte, erhält finanzielle Unterstützung. Im Minigolf wird heute kein Meister gekürt. Im Vordergrund steht das Gemeinschaftserlebnis. Zum Schluss steht deshalb noch ein Abendessen in der Gruppe auf dem Programm.

„Wir übernehmen etwa zwei Drittel unserer Auszubildenden unbefristet“

„Junge Menschen honorieren es, wenn man auf sie eingeht.“

Wörwag Ausbildungsleiterin Tanja Nebroj

Tanja Nebroj leitet bei Wörwag seit zehn Jahren die Ausbildungsabteilung.

Frau Nebroj, die Berufe, in denen Wörwag ausbildet, gehören nicht gerade zu den beliebtesten. Ist es schwer, Nachwuchs zu finden?

Ja. Unsere Berufe sind unter Schulabgängern wenig bekannt. Außerdem gehört Chemie nicht zu den Lieblingsfächern. Dabei sind die Einsatzfelder in unserem Unternehmen allesamt sehr spannend. Um das zu verbreiten, arbeiten wir unter anderem mit Schulen zusammen. Dort stelle ich unsere Lehrberufe regelmäßig vor. Wenn die Schüler wissen, wie breit das Aufgabenspektrum beispielsweise eines Chemikanten ist, zeigen sie schnell Interesse. So konnten wir bislang jedes Jahr acht Azubis einstellen.

Die erwartet ein abwechslungsreiches Programm: Kennenlernwoche, Klettern und andere Team-events. Wohlfühlen scheint ein wichtiger Teil der Ausbildung zu sein.

So ist es. Wer sich gut versteht, arbeitet auch gut zusammen. Die Azubis kennen sich im Betrieb gut aus und sind vernetzt. In der Ausbildung schulen wir sowohl die Sozial- wie die Fachkompetenz. Davon profitieren beide Seiten.

Wenn man die Azubis fragt, sind Sie ein wichtiger Teil des Erfolgsrezepts.

Die wollen sich nur einschmeicheln. Nein, Scherz … Ich gehe mit gutem Beispiel voran, bringe Engagement und Begeisterung für meinen Job mit. Die jungen Menschen honorieren es, wenn man auf sie eingeht. Ich bin da, wenn sie mich brauchen, nehme sie aber auch ins Gebet, wenn etwas schiefläuft. Die Azubis wissen, woran sie bei mir sind und was ich von ihnen verlange.

Ausbildung bei Wörwag

? Lacklaborant

Prüfen, ob ein neuer Lack die gewünschten Merkmale aufweist, am Computer Messdaten auswerten, Problemen auf den Grund gehen: Wie der Name verrät, arbeiten Lacklaboranten im Labor. Sie entwickeln Beschichtungsstoffe mit neuen technischen Eigenschaften und verbessern die Umweltverträglichkeit unserer Produkte.

⚗️ Chemikant

Chemikanten arbeiten an der Schnittstelle zwischen Labor und Fertigung. Sie kennen sich mit Rohstoffen, Arbeitsgängen und Produktionsanlagen aus. Zudem prüfen sie die Qualität unserer Lacke. Nach der Ausbildung sind sie Allrounder.

✅ Produktionsfachkraft Chemie

Produktionsfachkräfte begleiten die Entstehung unserer Lacke. Sie müssen die Ausgangsstoffe kennen, die Arbeitsgänge und den Einsatz der Maschinen beherrschen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Qualitätskontrolle. Hier tragen sie dazu bei, dass die Eigenschaften eines Lacks bei jedem Produktionslauf dieselben bleiben.

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Text: Thorsten Schönfeld

Fotos: Toby Binder