In einem einzigen Arbeitsgang fräst der WR 250 marode Straßen auf, granuliert sie, sprüht die passende Menge Bindemittel und Wasser hinzu und vermischt das Ganze – sozusagen „en passant“ ist die neue Tragschicht fertig, auf der gleich eine neue Straße ausgerollt wird; Straßenfertiger und Walzen stehen schon für den nächsten Arbeitsschritt bereit.
So großen Maschinen kann natürlich kein Regen etwas anhaben. Aber Steinchen zum Beispiel. Kleine Teilchen, die mit der entsprechenden Fluggeschwindigkeit auf lackierten Oberflächen Unschönes anrichten. Kommen noch Luftfeuchtigkeit oder Regen hinzu, entsteht unausweichlich Rost.
Gegen Korrosion sind selbst diese Stahlriesen machtlos. Die Kombination von Wasser, Erdboden und Atmosphäre lässt Stahl nach einiger Zeit so brüchig wie ein Butterkeks werden.
Rohstoff-Firmen, die Baumaschinen wie die Surface Miner beispielsweise in Australien für die Gewinnung von Eisenerz einsetzen, kennen die schädlichen Folgen von UV-Strahlen und Erdreich nur zu gut. Die bis zu 1623 PS starken und 200 Tonnen schweren Abbaugeräte stehen rund um die Uhr im Einsatz. Auch hier geht alles in einem Arbeitsgang: Gestein schneiden, zerkleinern und verladen – kein Bohren und Sprengen nötig.
„In den Minen werden unsere Schneidwerkzeuge fast an ihre Grenzen gebracht. Eisenerz ist ein extrem hartes Material“, erzählt Johann Kroheck, Leiter der Oberflächentechnik beim deutschen Baumaschinenhersteller Wirtgen.
„Auch die Lackierung der Surface Miner muss den extremen Bedingungen vor Ort standhalten. Qualitätsprobleme wegen korrodierter Bauteile, weil die Beschichtung nicht hält, können wir uns nicht erlauben.“ Speziell im Mining müssen die Maschinen stets verfügbar sein, jeder Ausfall verzögert die Materialgewinnung und kostet viel Geld. „Natürlich schützen wir unsere Bauteile mit entsprechendem Lack. Es gibt mehrere Produkte, die gut gegen Korrosion sind“, weiß Kroheck. „Wir wollten jedoch eine ressourcenschonende Methode einsetzen und haben die Vorbehandlung der Bauteile genau geprüft.“
Am Windhagener Firmenstandort von Wirtgen in Rheinland-Pfalz steht die Großteilbeschichtungsanlage, in der bis zu 30 Tonnen schwere Elemente aus Stahl vorbehandelt und lackiert werden. Sie wirken so leicht, wie sie da an Ketten hängend über das Fördersystem von Station zu Station gefahren werden!
Zuerst geht’s in die Automatikstrahlanlage, wo die Oberfläche von jeglichen Rückständen wie Rost, Zunder oder Schlackenresten befreit wird. Früher mussten diese Oberflächen teilweise angeschliffen werden, damit die Grundierung besser haften konnte. „Diese Vorbehandlung ist entscheidend, denn die Qualität der Oberflächen kann sehr unterschiedlich sein.“ Noch robuster wird so eine Oberfläche, wenn der Lack in zwei Schichten (Zwei-Schicht-Lacksystem) aufgetragen wird. Aber dies treibt wiederum die Kosten in die Höhe, denn bisher war eine Zwischenvernetzung im Ofen nötig. Und das kostet Energie.
„Das haben wir mit Wörwag hinbekommen: eine Pulver-auf-Pulver-Beschichtung, ohne Zwischenvernetzung. Grundieren, Decklackieren und dann in den Ofen. Alles in einem Arbeitsgang, genau wie bei unseren Maschinen“, lächelt Kroheck entspannt.
„Ganz besonders an der Nahtstelle, also da, wo die Fläche auf Kanten oder Linien trifft, muss der Schichtdickenaufbau auch gut sein“, weiß Jochen Reihs, Leiter des Wörwag-Kundenlabors für Bau- und Landmaschinen. „Das Pulver muss daher durch ein angepasstes Applikationsverfahren statisch aufgeladen werden, damit es auch diese heiklen Stellen bedeckt und schützen kann“, verrät der gelernte Lackchemiker. „Die neue Anlage läuft seit drei Jahren einwandfrei“, freut sich Kroheck.
Seit letztem Jahr beschichtet Wirtgen über 50 Prozent seiner Bauteile mit Pulver in diesem neuen Verfahren. Die Kapazität der Anlage wurde damit um zehn bis fünfzehn Prozent gesteigert, die Verweilzeit eines Bauteils in der Anlage um die Hälfte reduziert. Die Beschichtung auf diesen Riesenmaschinen erfüllt die Bedingungen für die anspruchsvollsten Kategorien für Korrosionsschutz: Küstenbereiche, hohe Luftfeuchte, aggressive Atmosphäre.
Die „Parkplätze“ rund um die Produktionsanlage in Windhagen erinnern an Szenen aus einem Science-Fiction-Film: Es stehen etwa 25 Meter lange, drei Meter große, fertig gebaute Baumaschinen nebeneinander, abholbereit für ihre neuen Besitzer. Man könnte sich darin verirren. Jeder Besen, jedes Werkzeug steht an seinem Platz. Die Schweizer Kuhglocke allerdings, die als Dekoraktion in der Anlage hängt, passt so gar nicht in die Szenerie. „Das ist eine Treichel. Die erkennt man an der Oberfläche, die gehämmert und nicht wie bei den Glocken gegossen ist“, klärt Jochen Reihs, der sein umfangreiches Wissen regelmäßig in Wörwag-Schulungen vermittelt, „die schenkt der Schweizer Anlangenbauer, die MS Oberflächentechnik, jedem neuen Kunden.“
Jochen Reihs
kennt sich in der Beschichtung von Pulverlack bestens aus und führt regelmäßig Schulungen zu diesem Thema durch: „Als Leiter des Kundenlabors für Baumaschinen habe ich viele Tipps auf Lager und gebe mein Fachwissen gerne weiter.“
So funktioniert Pulver auf Pulver
Mit der Grundierung wird die Oberfläche vor Korrosion, mit dem Decklack die Grundierung vor UV-Strahlen und Witterungseinflüssen geschützt. Der Pulverlack wird mittels Tribo-Technik (über Reibung der Pulverteilchen wird eine statische Aufladung erzeugt) aufgetragen. Bei dieser Technik wird eine Sprühpistole auf eine Lanze montiert, mit der die Lackierer problemlos jede Stelle erreichen können.
Im letzten Schritt werden die zwei Schichten im Ofen zu einer Einheit verbunden. Nachdem das Bauteil eine Stunde später etwas abgekühlt ist, kann es bereits ausgeliefert werden. Diese Methode hat sich für die beiden Firmen Wirtgen und Wörwag sehr gut bewährt. Das Verfahren kommt ohne den energie- und zeitintensiven Schritt des Zwischenvernetzens aus.
Die Produkte wurden so konzipiert, dass der Decklack perfekt auf dem grundierenden Lack haftet. Die W 880 (Super durable Polyester) werden speziell für Oberflächen hergestellt, die harten Witterungsbedingungen standhalten müssen.
Text: Daniela Renzo
Fotos: Wirten GmbH, Daniela Renzo, Jürgen Krämer / Medikanto