Der Kölner Graffitikünstler Thomas Baumgärten wird mit dem Sprühen von Bananen zur Legende. Er sprüht vor Bananen

Er sprüht vor Bananen

Wer mit dem Sprühen von Bananen zur Legende wird, muss außergewöhnlich sein. Auf eine Banane mit dem Kölner Graffitikünstler Thomas Baumgärtel.

Farbtontafeln zum Testen neuer Lacke sind Massenware. Nach Gebrauch werden sie entsorgt. Eine solche Tafel verwandelt Thomas Baumgärtel in ein wertvolles Unikat. Geduldig verschiebt der Graffitikünstler seine Schablone, bis die Aussparung exakt so sitzt, wie er es sich vorstellt. Millimeter für Millimeter. Mit großen Muttern und Schrauben beschwert er die Vorlage.

Dann legt er die Schutzmaske an, schaltet die Abluftanlage ein und greift zur Sprühdose. RAL-Farbton 1021, auf der Dose steht Cadmiumgelb. Einen Antrag, die Farbe in Bananensprayer-Gelb umzubenennen, lehnte der Hersteller mit Verweis auf technische Gründe ab. Baumgärtel schmunzelt.

„Kunst muss wirken. Sie ist weder schön noch hässlich. Es kommt allein auf die Wirkung an.“ Thomas Baumgärtel

Auf eine leere Farbtontafel sprüht Baumgärtel eine „Metamorphose“ seiner Urbanane.

Banane für Wörwag: Auf eine leere Farbtontafel sprüht Baumgärtel eine „Metamorphose“ seiner Urbanane.

Er schüttelt die Dose, führt mit dem Handgelenk zwei, drei Bewegungen zur Probe aus. Sobald er die Lockerheit spürt, drückt er ab. 

Ein, zwei, drei Mal. Erst kurze Sprühstöße, dann ein langer. Mit schwungvollen Gesten hüllt er die weiße Fläche in strahlendes Gelb. „Ich brauche keinen Reinraum“, erklärt Baumgärtel. „Bei mir muss Staub in der Luft hängen. Ich will Textur. Es darf nicht lackiert aussehen.“

Der erste Schritt zur Banane für Wörwag ist getan. Baumgärtel beobachtet die Reaktion genau. Noch erntet er skeptische Blicke. „Kunst muss wirken“, kommentiert er. „Sie ist weder schön noch hässlich. Es kommt allein auf die Wirkung an.“

Wir stehen in Baumgärtels Atelier im Leskanpark in Köln-Dellbrück. In einer alten Fabrik hat er hinter historischer Fassade auf 600 Quadratmetern seine private Bananenrepublik gegründet.

Viel Raum für Kunstprojekte und krumme Dinger in allen Varianten: Bananen auf Leinwänden, Schablonen, Drucke, ein mit Bananen besprühtes Sofa. Zwischen Keilrahmen und hinter Regalen entdeckt der Besucher eine Bananenspur nach der anderen.

Nein, betont Baumgärtel, bei ihm sei nicht alles Banane. Die Wortspiele rund um das Süßobst kenne er. Fast alle findet er überstrapaziert.

Dass er manche nicht mehr hören könne, sagt er bewusst nicht. Schließlich ist die plakative Wirkung der Südfrucht seit dreißig Jahren sein Erfolgsrezept. Er nennt sich Bananensprayer, propagiert den Bananen-Pointilismus und verdient mit der „Volksbanane“ gutes Geld.

Vermutlich hätte es auch mit einer anderen Frucht funktioniert, aber schließlich ist die Banane eine Handelsware, die selbst Politiker beschäftigt. So normt die Verordnung Nr. 2257/94 der Europäischen Union seit 1995 Eigenschaften wie Farbe, Größe und Dicke.

„Offenbar ist die Banane so wichtig, dass man sie regeln muss“, grinst Baumgärtel. Sein Markenzeichen genügt zwar formal der Norm, die nur Mindestmaße nennt, dürfte aber mit vierzig Zentimetern Länge und einer Mittendicke von acht weit über dem liegen, was man sich in Brüssel vorstellte.

Der zweite Sprühgang entscheidet. Erst die schwarzen Konturen verleihen dem Werk die markante Optik. Vorsichtig legt Baumgärtel eine neue Schablone auf die gelbe Farbfläche, greift sich die Dose, schüttelt und drückt wieder erst kurz, dann länger auf den Sprühkopf. Mit Heißluft wird die Farbe getrocknet und eingebrannt. „Fast wie beim Autolack, oder?“, fragt Baumgärtel.

Ungeduldig wartet er darauf, dass er die Schablone abziehen kann: „Das ist der schönste Moment. Dann sieht man die Banane zum ersten Mal.“ Eine halbe Stunde dauert es aber noch. Zur Sicherheit. Damit nichts verwischt.

Vom Sachbeschädiger zum Kultsprayer

In den Anfangsjahren musste es schneller gehen. Wie es sich für einen Graffitikünstler ziemt, war Baumgärtel oft auf der Flucht. Mit vielen Sprühaktionen machte er sich strafbar. Einmal übernachtete er sogar in Untersuchungshaft.

Wann und wo er erstmals seine Banane hinterließ, weiß Baumgärtel nicht mehr genau. Zu den ersten Orten gehörte 1987 das Kölner Museum Ludwig.

Per Großfahndung wurde er noch in der Nacht geschnappt. „Im Polizeifunk hörte ich die Entwarnung. Über die Durchsage, es handele sich nur um eine gemalte Banane, muss ich heute noch schmunzeln.“ Im Kunsttempel selbst fand man das weniger witzig. Baumgärtel musste Strafe zahlen.

Jahre später bat ihn der Museumsdirektor offiziell um eine Banane. „Das war eines der ersten Male, dass mein Stempel als Auszeichnung anerkannt wurde, die einen Ort zum Kunstort erhebt“, so Baumgärtel. Der Übergang vom Sachbeschädiger zum Kultsprayer gestaltete sich fließend.

Bananenrepublik im 600 Quadratmeter großen Atelier im Leskanpark zu Köln.

Thomas Baumgärtels Bananenrepublik im 600 Quadratmeter großen Atelier im Leskanpark zu Köln.

Mittlerweile hat Baumgärtel sein Qualitätssiegel weltweit fast 5000 Museen, Galerien und Ausstellungen aufgesprüht – von London über Paris und Zürich bis Moskau.

Selbst am Guggenheim-Museum in New York hat er eine Spur hinterlassen. Viele fragen wegen der Banane bei ihm an. „Aber die kann man nicht kaufen. Man muss sie sich verdienen“, unterstreicht Baumgärtel. „Das Projekt ist ein psychologischer Projektionstest in der Kunst. Wie die Galerien und Museen mit der Banane umgehen, so gehen sie auch mit der Kunst um.“

Die Auszeichnung geht auf ein nichtkommerzielles Projekt aus seinem Psychologiestudium zurück. Wie beim Rorschachtest, bei dem die Reaktionen der Betrachter auf Tintenkleckse analysiert werden, beobachtete Baumgärtel die Blicke, Gesten und Aussagen, die seine Banane hervorrief.

Jetzt gerade drücken sie Staunen und Freude aus. Der Künstler hebt die Schablone vorsichtig an, das Werk für Wörwag ist fertig. In Stuttgart wird es einen Ehrenplatz erhalten. Noch eine Signatur. Perfekt. Dieses Gelb spricht alle Sprachen. Baumgärtel lächelt. Der Mann sprüht vor Vergnügen.

Der Kölner Graffitikünstler Thomas Baumgärten wird mit dem Sprühen von Bananen zur Legende.

Der Kölner Graffiti-Künstler Thomas Baumgärtel in seinem Atelier

Thomas Baumgärtel

1960 in Rheinberg im Ruhrgebiet geboren

1985 bis 1995 Studium der Freien Kunst an der Fachhochschule Köln, Psychologiestudium an der Universität zu Köln

Baumgärtel ist Vater zweier Kinder.

Entstehung der Banane
Während des Zivildienstes in einem katholischen Krankenhaus fiel Baumgärtel 1983 ein Kruzifix auf, dessen Jesusfigur fehlte. Ersatzweise kreuzigte er eine Bananenschale. Seither hält ihn die Faszination an der Frucht im Bann.

Kontakt
www.bananensprayer.de
www.volksbanane.de

Michael Fiedler, Leiter der Pulverlackentwicklung bei Wörwag

Michael Fiedler leitet bei Wörwag seit 2010 die Pulverlackentwicklung. Zur Erprobung des Anti-Graffiti-Lacks griff sein Team unter anderem zu Farbspray, Textmarker und Filzschreiber.

Anti-Graffiti-Lack

Kein neues Produkt, aber nach wie vor gefragt: Wörwags Anti-Graffiti-Lack. Entwickelt wurde das Beschichtungspulver aus Polyurethan vor knapp zwanzig Jahren. „Das Produkt hat sich am Markt etabliert und im Einsatz bewährt“, sagt Michael Fiedler, Leiter der Pulverlackentwicklung.

Das Besondere an diesem Schutzlack ist, dass ihm weder Sprühfarben noch aggressive chemische Reiniger etwas anhaben können. Er verhindert, dass sich Farbe in die besprühte Fläche frisst und diese beschädigt. Entsprechendes gilt für die Reinigungsmittel, mit denen man Graffiti entfernt.

Für die Beseitigung von Graffiti gab allein die Deutsche Bahn in einem einzigen Jahr (2016) rund 8,6 Millionen Euro aus. Als Substrate begehrt sind bei den Tätern vor allem S-Bahnen, Nahverkehrs- und Güterzüge, Brückenpfeiler, Lärmschutzwände. Dass Züge mit der „Sprühkunst“ durchs Land rollen, mehrt den Ruhm der Sprayer.

Um dies zu kontern, beseitigt die Bahn die Malereien nach Möglichkeit binnen 24 bis 72 Stunden. Das ist 
mühsam, kostspielig und motivierte damals die Anfrage bei Wörwag. Das daraufhin gemeinsam entwickelte Produkt, ein Pulverlack für den Innenraum der Waggons, überzeugte durch Beständigkeit und moderaten Reinigungsaufwand.

Fotos: Petra Stockhausen

Text: Michael Thiem