Julie Sun strahlt Lebensfreude aus. Sie arbeitet bei Wörwag als Qualitätsmanagerin. Rising Sun

Rising Sun

Für das neue China gibt es natürlich einen Plan. Grün, sozial und nachhaltig soll künftig das Wachstum im Reich der Mitte sein. Wörwag geht in seinem Werk in Langfang mit gutem Beispiel voran. Mitarbeiterin Julie Sun zeigt, welche Perspektiven das Unternehmen den Menschen dort bietet. Ein Leben im Aufwind.

Julie Sun hält den Schlüssel wie eine kleine Trophäe zwischen Daumen und Zeigefinger nach oben. Der Sicherheitsbeamte, der das schwere Eisentor am Eingang der exklusiven Wohnanlage im Osten von Langfang bewacht, schaut kritisch. Aber dann nickt er und öffnet das Gatter einen Spalt. Der Schlüssel zum neuen Drei-Zimmer-Apartement ist für Julie das symbolische Ticket zur Mittelklasse.

Er ist ein Sinnbild für ihren gesellschaftlichen Aufstieg, für Anerkennung, für ein Leben in relativem Wohlstand und materieller Sicherheit. Er ist der Lohn dafür, dass die 38-Jährige in den vergangenen zehn Jahren als Qualitätsmanagerin bei Wörwag hart gearbeitet und monatlich zwei Drittel ihres Gehalts gespart hat. Rising Sun. Ihr Plan ist aufgegangen.

Optimismus aus Überzeugung

Nicht nur Julie Sun ist auf dem Sprung. China verändert sich. Ständig, eigentlich täglich. Und zwar in einem schwindelerregenden Tempo. Wer abends ein Restaurant besuchen will, sollte vorher anrufen. Nicht um zu reservieren, sondern um sich zu vergewissern, dass es die Gaststätte überhaupt noch gibt. Ein Land im Wandel, Wahnsinnswandel. Die Fernsehwerbung preist Pillen an, die jedem zusätzliches Größenwachstum von sechs bis fünfzehn Zentimeter nach einem halben Jahr versprechen.

Ein Land mit Mut. Übermut. Sicher ist, dass sich Arbeit plötzlich lohnt. Daher ziehen die Menschen in Scharen in die Städte, die sich so schnell verändern, dass es fast nie verlässliche Straßenpläne gibt. Getragen wird alles von Optimismus und Lebensfreude. In China setzen sich die Begriffe Krise und Chance jeweils aus zwei Schriftzeichen zusammen. In beiden Wörtern wird das Zeichen Ji verwendet. Die Chinesen folgern daraus: Jede Krise ist eine Chance. Optimismus aus Überzeugung.

Auf dem Heimweg: Julie Sun hat sich an einer exklusiven Wohnanlage im Osten von Langfang eine Wohnung gekauft.

Auf dem Heimweg: Julie Sun hat sich an einer exklusiven Wohnanlage im Osten von Langfang eine Wohnung gekauft.

Das gilt auch für Julie Sun, die voller Zuversicht der Zukunft entgegenblickt. Und mit vielen persönlichen Zielen.

Schon bald würde sie gerne ihr Fahrrad für die Fahrt zur Arbeit gegen ein Auto tauschen. Am liebsten einen VW Polo. Sie steht in der Küche ihres neuen Apartements und streckt den Kopf aus dem Fenster. Eigentlich müsste man fast das Wörwag-Werk sehen. Eigentlich sind es auf direktem Weg nur drei Kilometer. Aber die Straße ist noch eine Sackgasse. Ein Bauzaun und Bäume versperren die Fernsicht. Erst in einigen Monaten soll hier weitergebaut werden. Geradeaus bis zu ihrer Arbeitsstelle.

Der gesamte Wohnkomplex besteht aus mehreren Blöcken, die jeweils 18 Stockwerke haben. 5000 Menschen ziehen bis zum Jahresende in die neue Apartementanlage. Sie wohnen mitten in einer grünen Oase. Die idyllische Anlage ähnelt einem Ferienressort. Verschnörkelte Wege, romantische Bächlein mit kleinen Brücken, dazu versteckte Sitzmöglichkeiten, schattenspendende Bäume und ein riesiger Spielplatz.

Nicht umsonst heißt das Baugebiet Huaxi Zhuoan, was übersetzt Blumengarten bedeutet. Halb Langfang ist mit Werbeplakaten für das Wohngebiet zugepflastert. Der Slogan: sonnige und farbenfrohe Tage. Wenn Julie Sun von ihrer Wohnung erzählt, strahlt sie. So hat sie sich das vorgestellt. So hat es Chinas Regierung geplant.

„Mein Ziel ist es, dass auch die Mitarbeiter mit der Firma wachsen und alt werden.“ Junxue Qin

Junxue Qin, General Manager Wörwag China

Karte des Wörwag-Werks in Langfang

Langfang liegt knapp 70 Kilometer südlich von Peking. Mehr als viereinhalb Millionen Menschen leben hier. Täglich werden es mehr.

1000 Firmen haben sich niedergelassen, 200 davon aus Deutschland, darunter auch Wörwag. Die Lage ist strategisch günstig. Viele Automobilhersteller und Zulieferer der großen Marken haben sich rund um Peking angesiedelt. Im Süden Pekings entsteht bis 2018 ein zweiter Hauptstadt-Flughafen.

Auch Julie hat 2002 ihre Heimatstadt Chifeng in der Inneren Mongolei zusammen mit ihrer Sandkastenliebe Zhidong Wu verlassen. Vor sieben Jahren kam Töchterchen Mingyang Wu auf die Welt. Sie soll eine bessere Zukunft haben, vor allem soll sie grüne Bäume nicht nur aus Bilderbüchern kennen und in einer gesünderen Umwelt aufwachsen. Die Voraussetzungen dafür sind da. Langfang hat sich den Stempel „offizielle Eco-Entwicklungszone“ verpasst.

Da alles ganz schnell gehen muss, wurde Ende 2012 mitten in der Stadt mit dem Jiutian Leisure Valley ein künstlicher Indoor-Erholungspark mit gigantischem Regenwald, Hotel, Restaurants und Freizeitaktivitäten eröffnet. 100 000 Quadratmeter groß und unter Dauerberieselung mit Wasser. Im Stadtzentrum schießen Einkaufszentren, Wohnanlagen und Hotels wie Pilze aus dem Boden. Neonreklamen und Großbildschirme beleuchten den Abendhimmel.

Dazwischen werden Parks angelegt und ausgewachsene Bäume gepflanzt. Im Grünstreifen zwischen den Straßen werden Buchsbäume akkurat in Form geschnitten. Die Mutation zu einer Musterstadt hat längst begonnen. Die Fehler, die in China durch das ungebremste, extrem schnelle industrielle Wachstum begangen wurden, sollen ausgeglichen werden. Nach Möglichkeit genauso schnell. Aber manche Pläne brauchen Zeit.

„Mein Ziel ist es, dass auch die Mitarbeiter mit der Firma wachsen und alt werden.“ Junxue Qin

Deutschland wird zum Vorbild

Das gilt auch für Wörwag, das jetzt für die langfristige Strategie bei der Erschließung des Markts belohnt wird. Aus dem kleinen Verkaufsbüro in Shanghai wurde 1997 eine eigene Tochtergesellschaft. Seit 2003 ist Wörwag in Langfang vertreten. Das jetzige Werk wurde 2008 bezogen.

Im Vergleich zu 2004 beträgt der Umsatz inzwischen mehr als das 18-Fache. Tendenz steigend. „Das ist schon eine gewaltige Entwicklung“, sagt Junxue Qin, der seit 2005 General Manager ist. An eine seiner ersten Maßnahmen erinnert er sich noch genau: „Wir haben eine Toilette gebaut. Die Leute sind bis dahin immer heimgefahren, um aufs Klo zu gehen.“ Qin hat 1988 in Mannheim Betriebswirtschaftslehre studiert. „Ich glaube, ich habe sehr viel soziale Verantwortung aus Deutschland mitgebracht“, sagt der 56-Jährige. „Sich Gedanken über Produkte, den Markt und die Preise zu machen, ist wichtig. Aber genauso wichtig ist es, die Mitarbeiter gut zu behandeln und angemessen zu bezahlen.“

Letztendlich würde sich dies in der Identifikation mit dem Unternehmen, der Leistung und der Motivation auszahlen. Zudem haben die Mitarbeiter erkannt, dass ihnen Wörwag große Möglichkeiten eröffnet, sich zu qualifizieren, Karriere zu machen und dadurch Verantwortung zu übernehmen. Julie Sun hat diese Chance genutzt.

„Wir sind kundenorientiert und immer auf dem neuesten Entwicklungsstand. In unseren Produkten steckt deutsches Know-how“, erzählt Junxue Qin.

Sicherheit geht vor

Der Standort der chinesischen Tochtergesellschaft Worwag Coatings (Langfang) Co., Ltd. liegt in der Baihe Road, Nummer 11. Über dem blauen Unternehmensnamen stehen die entsprechenden chinesischen Schriftzeichen. Das Firmengelände ist ungefähr so groß wie ein Fußballfeld – aber eigentlich schon längst zu klein. Knapp 100 Mitarbeiter sind hier beschäftigt, 30 davon in einem angemieteten Bürogebäude in drei Kilometer Entfernung. Zehn Kollegen sind bei Kunden vor Ort eingesetzt.

Umzäunt ist das Wörwag-Gelände durch eine gemauerte Wand. Wer im Hof steht, sieht auf der einen Innenmauer mannshohe rote Schriftzeichen. Sie bedeuten: „Sichere Produktion ist das Wichtigste.“ Auf der anderen sind die Unternehmenswerte aufgemalt: Innovation, Qualität, Service und Leistung. Bezeichnenderweise auf Deutsch. Das Siegel „Made in Germany“ ist extrem wichtig. Das weiß auch Junxue Qin. „Wir sind kundenorientiert und immer auf dem neuesten Entwicklungsstand. In unseren Produkten steckt deutsches Know-how“, erzählt der General Manager.

Zum Service für die Mitarbeiter gehören zwei kostenlose Mahlzeiten am Tag.

Zum Service für die Mitarbeiter gehören zwei kostenlose Mahlzeiten am Tag.

„Alle unsere Produkte sind daher extrem innovativ. Wir können Leistungen erbringen, die die Konkurrenten nicht können.“ Am Schwarzen Brett wird in Langfang jeden Monat die Kundenzufriedenheit ausgehängt. Das Ziel für 2013: 98 Prozent. Mit Ausnahme des Aprils lag die Wörwag- Tochter in diesem Jahr bisher stets darüber.

Der Wörwag-Plan zur Erschließung neuer Märkte geht auf. Wie an den anderen internationalen Standorten in den USA, Südafrika, in der Schweiz, Polen und Spanien investiert Wörwag auch in Langfang nicht nur in Technik und Maschinen. Der Schlüssel zum Erfolg sind die Mitarbeiter. Wenn Julie Sun morgens kurz nach sieben Uhr zur Arbeit kommt, führt ihr erster Weg zum gemeinsamen Frühstück.

Als einziges Unternehmen in der Industriezone Langfang bietet Wörwag neben dem Mittagessen noch eine zweite Mahlzeit kostenlos an. Es gibt chinesisches Brot, das einem weißlichen Dampfbrot ähnelt, Suppe, gebratenes Gemüse und Tee. Früher aßen alle auf dem Weg zur Arbeit an den mobilen Garküchen am Straßenrand. „Das war unhygienisch. Viele waren immer wieder krank“, sagt Qin, „da bezahle ich lieber das Frühstück und dafür gehen die Fehlzeiten zurück.“

Die Kollegen schätzen diesen Mehrwert. Sie identifizieren sich mit der Firma, was sich in einer für chinesische Verhältnisse überdurchschnittlich langen Betriebszugehörigkeit von mehreren Jahren bemerkbar macht.

Mitarbeitern eröffnen sich Perspektiven

Gegessen werden muss in Schichten, denn die beiden Frühstücksräume sind zu klein. Zuletzt kamen pro Jahr zehn bis fünfzehn neue Kollegen dazu. Aber eng sind eigentlich alle Räumlichkeiten auf dem Firmengelände. Wachstum bedeutet Improvisation im Alltag. Das gilt besonders für die Lager. Wareneingang und -ausgang zu koordinieren, benötigt großes Organisationstalent.

Yi Ding wird das zugetraut. Er ist 33 Jahre alt und hat erst im Juni 2013 bei Wörwag angefangen. Er zeigt stolz sein neues Büro, ein flacher Anbau gegenüber der Kantine. „Den Erfolg meiner Arbeit sehe ich am wirtschaftlichen Erfolg der Firma“, erzählt Ding. Die deutschen Standards und Vorgaben für seine Arbeit seien eine tägliche Herausforderung.

Überhaupt: Alle sind sich bewusst, dass die Ansprüche bei Wörwag sehr hoch sind. Doch Einsatz lohnt sich. Und diese Perspektive schätzen die Mitarbeiter an ihrem Job. Vor allem die Jungen. Knapp 30 Jahre beträgt der Altersdurchschnitt der Belegschaft, die den Teamgedanken auch außerhalb der Arbeitszeiten lebt.

Julie Sun trifft sich regelmäßig mit ihren Abteilungskollegen zum gemeinsamen Abendessen.

Julie Sun trifft sich regelmäßig mit ihren Abteilungskollegen zum gemeinsamen Abendessen. Im Restaurant Huan Le Mur Ren gibt es diesmal Lammkeule, Fleisch- und Garnelenspieße, Pilze, Gemüse und Bier. Die Stimmung ist ausgelassen. Es wird diskutiert, es werden Erlebnisse ausgetauscht, es wird geflachst und gelacht. Alle genießen den Abend.

„Bei meinem Besuch in Stuttgart wurde ich auf die Einführung neuer Technologien vorbereitet.“ Julie Sun

„Bei meinem Besuch in Stuttgart wurde ich auf die Einführung neuer Technologien vorbereitet.“ Julie Sun

Nicht nur für die Kollegen in China ist Julie Sun eine wichtige Ansprechpartnerin. Für viele Themen ist sie auch das Tor nach Deutschland.

Bereits dreimal war die 38-Jährige zu Qualifizierungsmaßnahmen in Stuttgart. Koordiniert werden die internationalen Aktivitäten am Stammsitz durch die Abteilung International Technology Management (ITM). Die Kollegen in Stuttgart sind dabei längst mehr als nur ein Ansprechpartner im Krisenfall geworden.

Als Julie Sun im Juni 2013 in Deutschland war, hat sie Giuseppe Polito eine DVD-Box mit einem chinesischen Sprachkurs geschenkt. Der Regionalmanager ist für den chinesischen Markt verantwortlich. Er musste bei dem Geschenk schmunzeln, weil er weiß, dass er die Fortbildung durchaus gebrauchen kann: „Wir sind die Schnittstelle in den Markt.“

Sein Kollege Georg Bussmann stand vor zehn Jahren selbst in China im Labor und rührte mit einer Perlmühle und zwei Behältern die ersten Farben an. Heute ist er ITM-Leiter und selbst mehrere Wochen pro Jahr in China unterwegs, hauptsächlich für Kundenprojekte.

„Wir definieren Erfolg nicht über die Masse, sondern über die Qualität.“ Es sei wichtig, dass dazu Know-how adaptiert und transferiert werde. Aber das Ganze sei kein One-Way-Ticket. Die Infos müssten auch zurückfließen. Englisch sei daher in China ein Einstellungskriterium. „Wenn plötzlich Fragen auftauchen, soll sich jeder Mitarbeiter auch direkt in Deutschland melden können“, sagt Bussmann.

Die Anstrengungen und die Investitionen zahlen sich aus. Als einem der ersten Unternehmen in China gelang es Wörwag, wasserbasierte Lacke anzubieten. Mehr als ein Jahr arbeiteten dafür ein Wörwag-Technniker samt eigenem Dolmetscher bei einem Kunden in der Produktion. „Das war harte Arbeit. Aber letztendlich hat der Kunde gesehen, dass unsere Produkte besser sind als die der Konkurrenz“, sagt Qin. Auch wenn der Anteil der Wasserlacke im Moment nur zehn Prozent des Umsatzes ausmacht, ist für den General Manager klar, dass sich die Mühe lohnt.

„Wenn wir jetzt nicht mitmachen, haben wir keine Chance mehr. Das ist die Zukunft.“ Dass neueste Wörwag-Technik stets fast gleichzeitig auch in den Märkten eingeführt wird, unterstreiche die unternehmerische Bedeutung eines Standorts wie China.

Neuer Standort geplant

Dass man Zukunftspläne aber nicht immer nur selbst bestimmen kann, erfährt Qin im Moment bei der Suche nach einem größeren Standort in Langfang. In seinem Büro steht ein Award, der Wörwag als guten Steuerzahler des Jahres 2012 ehrt. Eine Auszeichnung, die jetzt bei der Suche nach einem neuen Bauplatz hilfreich sein kann. Denn die Wörwag-Schlagzahl im Reich der Mitte bleibt hoch.

Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll sich der Umsatz verdoppeln. Gleichzeitig wird die Mitarbeiterzahl am Standort Langfang wachsen. Auch wenn es noch einige Zeit dauert, bis Qin den Schlüssel für das neue Werk in Langfang in der Hand hält, fühlt sich Julie Sun bei diesen Unternehmenszielen in ihren Zukunftsplänen bestätigt. Rising Sun. Keine Frage: Das gilt in China auch für Wörwag.

Langfang verändert fast täglich sein Gesicht. Im Stadtzentrum entstehen Einkaufszentren, Hotels und Restaurants.

Langfang verändert fast täglich sein Gesicht. Im Stadtzentrum entstehen Einkaufszentren, Hotels und Restaurants.

Wörwag-Werk in Langfang

Mitarbeiter: rund 100
Kapazität: 6000 Tonnen pro Jahr
Zahl von Produkten: rund 100
Produktangebot: Lösemittel- und Hydro-Primer, Lösemittel-Basislacke, Hydro-Basislacke und -Decklacke, Hydro-Soft-Lacke und Hydro-KU-Lacke, Zinkstaub-Grundierungen, Industrie-Primer und -Decklacke
OEMs: alle großen europäischen Automobilhersteller
Kontakt: Giuseppe Polito, Regional Manager (PRC) International Technology Management, giuseppe.polito@woerwag.de

Superlativ China

Weltweit baute 2012 kein Land mehr Personenkraftwagen als China. Der Großteil davon war für den eigenen Markt bestimmt, wie der Blick auf die Exportbilanz zeigt. Auf die Pkw-Dichte hat dies aber nur wenig Einfluss.

Grafik Pkw-Export

Pkw-Export: Umsatz der zehn größten Pkw-Exporteure 2012 im Vergleich mit China (in Milliarden US-Dollar). Quelle: UN Comtrade; 2) Schätzung der United Nations Statistics Division

China_Grafik2_neu

Pkw-Produktion: Die Top 5 im Jahr 2012 (Einheiten in Millionen). Quelle: Verband der Automobilindustrie (VDA); 1) inkl. Leichtnutzfahrzeuge

China_Grafik1_neu

Pkw-Produktion: Die fünf Länder, in denen weltweit die meisten Fahrzeuge gefertigt werden (Einheiten in Millionen). Quelle: VDA

1 069 097 774

Kraftfahrzeuge (Pkw, Lkw, Busse) waren im Jahr 2011 insgesamt weltweit auf den Straßen unterwegs. Quelle: Ward’s Automotive Group

Die Parameter des LabPainters in China lassen sich online in Deutschland abrufen.

Die Parameter des LabPainters in China lassen sich online in Deutschland abrufen.

In einer Sprache

Der LabPainter ist ein Alleskönner. Denn er simuliert spätere Serienbedingungen des Lackiervorgangs. Durch die Prüfmethode gelingt es Wörwag, auch in Wachstumsmärkten wie China Produkte in gleichbleibend hoher Qualität herzustellen.

Wenn am chinesischen Standort in Langfang der LabPainter arbeitet, kann Dr. Alexander Gissel zuschauen. Und das, obwohl der Leiter Verfahrenstechnik, Werkstofftechnik und Analytik rund 8000 Kilometer entfernt in Stuttgart sitzt.

Eine große Stärke des Prüfverfahrens ist die Vernetzung. Gissel kann die Parameter, die Bedingungen und die Zahl der Lackierungen online in China abrufen und mit anderen vergleichen. Das Gerät wurde Ende 2012 in Langfang in Betrieb genommen, zuvor wurde eine Anlage auch am amerikanischen Wörwag-Standort in Lafayette installiert.

Von Zuffenhausen aus hat Gissel jederzeit Zugriff auf die Einrichtungen in den USA und in China. Wie bei einem Koch, der weltweit Tipps für die richtige Gewürzmischung einsammelt, tüftelt Wörwag so an der perfekten Rezeptur. „In Stuttgart haben wir das Maschinenkonzept, die Applikationsweisen sowie die Verfahrenstechnik entwickelt und dokumentiert“, sagt Gissel. „Wir haben die Vorgänge mit einer Nomenklatur versehen, die dann alle verstehen. Applikationstechnisch gesehen sprechen wir bei Wörwag weltweit eine Sprache.“

Liang Wang kennt den Code. Der Lackierer im Testlabor in China bereitet den nächsten Versuch vor. Sorgfältig füllt er Farbe mit Hilfe eines Papiertrichters in den Fließbecher des LabPainters. Wenige 100 Milliliter Lack reichen. Eine Zahnradpumpe fördert die Flüssigkeit anschließend durch einen vier Millimeter dicken Schlauch direkt zum Hochrotations-Zerstäuber.

Die miniaturisierte Lackieranlage simuliert den späteren Lackiervorgang bei den Automobilherstellern oder ihren Lieferanten bis ins kleinste Detail und wurde 2004 maßgeblich von Wörwag mit entwickelt. Das Unternehmen kann mit dem LabPainter heute schon testen, wie morgen lackiert wird. Für die Entwicklung neuer Farbrezepturen ist das der Schlüssel zum Erfolg.

Vorreiter bei der Entwicklung

In der vier mal drei Meter großen Lackierkabine herrschen 23 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit. Mit großem Energieaufwand wird die Luft konditioniert. Eine wichtige Voraussetzung für eine hohe Reproduzierbarkeit der Lackierungen. Appliziert wird Silber. Diamantsilber. Für Mercedes.

Wang justiert die Farbtontafel auf der Höhe des Zerstäubers. Er schließt die Tür. Dann blickt er auf das Display und aktiviert den elektrostatischen Hochrotationszerstäuber. Der besprüht vollautomatisch die Tafel. Nach dem Ablüften wird getrocknet und im nächsten Schritt der Klarlack aufgetragen.

Anschließend legt Wang das Substrat nach dem Ablüften erneut zum Trocknen in den Ofen. Dieser Prozess wird mit unterschiedlichen Rezepturen wiederholt. Der LabPainter ist ein unermüdlicher Marathonsportler. Bei perfekter Vorarbeit sind so mit der Anlage in Stuttgart in zwei Schichten am Tag bis zu 80 Lackierungen möglich.

Mit den Ergebnissen aus China ist Gissel zufrieden. Die Auswertungen der Farbtontafeln sind wichtig für die Lackentwicklung.

„Wir testen, unter welchen Bedingungen sich unsere Materialien verarbeiten lassen“, so Gissel. „Wir können dadurch den Grad der Empfindlichkeit neuer Farbtöne in Bezug auf die Serienanlage ebenso abschätzen wie die applikationstechnische Beeinflussbarkeit.“

Der LabPainter ist flexibel, einfach zu bedienen und benötigt wenig Platz. Er eignet sich für wasser- und lösemittelhaltige Lacksysteme. Benutzt werden können alle Zerstäuberfabrikate. Und er kann neuester Technik angepasst werden. Gissel weiß: „Wir müssen am Puls der Zeit bleiben. Die Ansprüche der Kunden ändern sich ständig.“

Kevin Kriessler pflegt einen engen Kontakt mit seinen Kollegen in China, die am LabPainter arbeiten.

Kevin Kriessler

pflegt einen engen Kontakt mit seinen Kollegen in China, die am LabPainter arbeiten. In der Abteilung Entwicklung/Verfahrenstechnik ist am LabPainter in Zuffenhausen zuständig für die Applikation sämtlicher zu verarbeitender Flüssiglacke: „Kein Tag ist wie der andere; immer gibt es Neues zu prüfen.“

Text: Michael Thiem

Fotos: Laurent Burst, Luxwerk (1)

Quellen Infografik: Verband der Automobilindustrie (VDA), UN Comtrade, Ward’s Automotive Group

Karte Infografik: Shaded Relief Archive / Kenneth Townsend