Rundgang durch Lafayette mit Ron Hancock ©Laurent Burst Star City

Star City

Lebendig und liebenswert, urig und unterschätzt: Lafayette ist anders. Allerdings offenbaren sich viele Reize der 80 000-Einwohner-Stadt im Mittleren Westen der USA erst bei genauem Hinsehen. Ein Rundgang mit besonderen Einblicken.

Wer kennt Duane Purvis? In Lafayette hat man den Footballspieler zum Essen gern. Im „Triple XXX Family Restaurant“ steht sein Name auf der Speisekarte neben denen vieler anderer lokaler Sportgrößen. Im bekanntesten Diner der Stadt werden sie zu leckeren Legenden. Mit einem Raumgewinn auf dem Spielfeld von 1802 Yard, fast 1650 Metern, hielt Purvis mehr als 30 Jahre den Rekord der örtlichen Purdue University. Verewigt wird diese einmalige Karriereleistung des 1989 verstorbenen Athleten in Gestalt des Burgers „The Duane Purvis All- American“. Ein ungewöhnlicher Leckerbissen mit Erdnussbutter-Zusatz für 7,85 Dollar.

„Wenn man hier isst, muss man den einfach probieren“, meint Ron Hancock. Der 65-Jährige besuchte schon als kleiner Junge das markante, schwarz-orange gestreifte Gebäude von 1931 in der Salisbury Street. Heute arbeitet er bei Wörwag im Entwicklunglabor.

Wer mit Hancock durch Lafayette fährt, begibt sich auf eine Zeitreise. Was auf den ersten Blick nach Retrodesign aussieht, erweist sich oft als Original. Lafayette war noch nie anders. Diners wie das „Triple XXX“ waren schon immer so. Auch an anderen Ecken scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, etwa am Szenetreff „Original Frozen Custards“, dessen Eiskrem seit 1932 nicht nur Hancocks Generation begeistert.

Lafayette, die Kleinstadt im US-Bundesstaat Indiana, geizt nicht mit ihren Reizen.

Das moderne Lafayette hat ebenfalls Charme. Zum Pflichtprogramm gehört ein Abstecher zur Lafayette Brewing Company in der Main Street. Zehn Biersorten werden hier seit 1993 gebraut, jede mit einer ganz eigenen Note. In das beliebte „Tippecanoe Common Ale“ zum Beispiel kommt Amarillohopfen, der nur auf einer einzigen Farm im Bundesstaat Washington wächst. Ihm verdankt das Bier seinen fruchtigen Geschmack.

Willkommen in Lafayette im US-Bundesstaat Indiana. 100 Kilometer nordwestlich von Indianapolis, rund 200 Kilometer südlich von Chicago. Mit der Schwesterstadt West Lafayette verschmilzt es zu Greater Lafayette, das 80 000 Einwohner zählt. Dazwischen liegt der Wabash River, der vor allem dem Zentrum Attraktivität verleiht und das Ambiente zahlreicher Musik- und Kulturfeste bildet.

Die Kleinstadt geizt nicht mit ihren Reizen. In den Außenbezirken mag sie eine amerikanische Stadt wie jede andere sein: Das Wörwag-Werk liegt in einem typischen Industriegebiet entlang der Kossuth Street mit Einkaufszentren, Motels, Tankstellen und Fast-Food-Restaurants.

Den historischen Kern hingegen prägen viktorianische Gebäude, urige Geschäfte und die lokale Kunstszene. Das alte Gerichtsgebäude mit der markanten Kuppel ziert die Innenstadt ebenso wie die vielen Bars, Kneipen und Restaurants. Axl Rose, Sänger der Rockband Guns N‘ Roses, wurde in Lafayette geboren. Auf eigene Art markant ist auch Bernadettes Barber Shop, in dem man(n) sich für fünf Dollar den Bart stutzen lässt. Mehr als die Damen- und Herrenschnitte, mit denen Kate Sweeney und Kristen Rupp ihre Kundschaft verschönern, fasziniert das Interieur zwischen Kitsch und Kunst an Wänden und beim Mobiliar. Amerika pur.

Großen Einfluss auf die Atmosphäre der Stadt haben die insgesamt 40 000 Studenten, allein 8000 davon kommen aus 120 Ländern. In den Ingenieurwissenschaften, speziell der Luft- und Raumfahrttechnik, gehört die Purdue University zu den renommiertesten Hochschulen des Landes. Mit Neil Armstrong und Eugene Cernan zählt sie den ersten und den vorläufig letzten Menschen auf dem Mond zu ihren Absolventen.

Rundgang durch Lafayette

Lafayette ist extrem sportbegeistert. Im College-Football füllen die „Boilermakers“, so der Spitzname der Unimannschaft, das 60 000 Besucher fassende Ross-Ade-Stadion. Die Heimat der Basketballer ist die Mackay-Arena mit 16 123 Plätzen.

Rundgang durch Lafayette

In „Mary Lou Donuts“, einem schlichten Holzgebäude mit dreieckigem Dach, gibt es seit 1961 nichts außer Donuts in unzähligen Varianten. Kalorienschwer, aber unvergleichlich lecker. Highlight: Schoko-Donuts mit Sahnefüllung. Vor allem samstags staut sich in der 4th Street der Verkehr. Nachvollziehbar.

Ein rätselhafter Stern

Zurück zum Ausgangspunkt der Tour: Die Speisekarte des „Triple XXX“ huldigt nicht nur verstorbenen, sondern auch lebenden Legenden der Stadt. Das Sandwich „The Boudia“ wurde zu Ehren von David Boudia ins Menü aufgenommen. Der Turmspringer hat 2012 in London Olympisches Gold gewonnen.

Viele Stars und ein rätselhafter Stern. Warum Lafayette auch „Star City“ genannt wird, kann nicht einmal Hancock beantworten. Seinem Kollegen Derek Stetler lässt die Frage keine Ruhe. Er recherchiert: Als sich Lafayette 1825 dank der Verkehrsader Wabash River zur führenden Handelsstadt Indianas entwickelte, erhielt sie den Beinamen, der noch heute in Form eines Sterns auf der Stadtflagge prangt.

Ron Hancock

arbeitet mit kurzer Unterbrechung seit 1976 im Entwicklunglabor für Egyptian Lacquer, das 2000 von Wörwag übernommen wurde. Er wurde in Lafayette geboren, wuchs dort auf und studierte an der Purdue University. Der Rundgang durch seine Heimatstadt ist für ihn daher eine besondere Herzensangelegenheit. „Lafayette ist ein großartiger Ort, um mit seiner Familie und Freunden zu leben.“

Text: Michael Thiem

Fotos: Laurent Burst

Illustration: weandme.com